Cuxhaven (dpa) – «Kennt ihr Spaghetti?», fragt Günther Kruggel, der von allen Günni genannt werden will. Auf der Rückseite seiner blauen Weste steht «Wattführer», um ihn herum haben sich 18 drei- bis sechsjährige Kinder in Matschhosen und Gummistiefeln gruppiert.

Es ist Ebbe, Günni ist mit den Kindern und ihren Erzieherinnen bei Nieselregen ein paar Hundert Meter ins Watt vor Cuxhaven-Döse gelaufen. Der Schlickhaufen vor Günni besteht nicht aus Spaghetti, auch wenn die Form daran erinnert. «Das hat der Pierwurm aus seinem Popo rausgedrückt.» Günni hat den Kindern zuvor eingeimpft, dass keiner im Watt «Iiihh» sagen darf, sondern nur «Ahh» und «Ohh». Jetzt schauen alle nur gebannt auf den gekringelten Haufen. Es gäbe auch gar keinen Grund, sich zu ekeln. «Das ist der sauberste Wattboden überhaupt. Er besteht hauptsächlich aus Sand und kleinsten Pflanzen- und Tierteilchen», sagt Günni und sticht vorsichtig mit einem Spaten in den Boden, um den darin lebenden Wurm den Kindern zeigen zu können.

Die Schweinchengruppe des Kindergartens «Kinderreich» ist aus dem 40 Kilometer entfernten Hemmoor (Landkreis Cuxhaven) zum «Blauen Klassenzimmer» angereist. Die Strandschule besteht aus einem weißen Zelt mit Gezeiten-Modell und einer kleinen Ausstellung mit Muscheln und Schnecken an Land – und vor allem aus dem Wattenmeer selbst. An drei Wochen im Jahr bieten die Pädagogin Frauke Kruggel und ihr Team für Schulklassen und Kindergärten jeden Vormittag Unterricht bei Niedrigwasser an. Rund 1200 Kinder und Jugendliche kommen pro Jahr.

In Anlehnung an die «Grünen Waldklassenzimmer» hatte Frauke Kruggel vor 19 Jahren die Idee zum «Blauen Klassenzimmer». «Die ganz Kleinen sollen das Watt lieben lernen, die Älteren sollen lernen, warum man das Meer schützen muss.» Das Projekt, das vor allem über Sponsoren finanziert wird, wurde bereits von der Niedersächsischen Umweltstiftung ausgezeichnet.

Zwei Stunden nehmen sich die Wattführer pro Gruppe Zeit. Altersgerecht werden nicht nur Flora und Fauna sowie die Gezeiten erklärt, sondern auch, welchen Schaden der Müll im Meer anrichtet. Die Kinder und Jugendlichen kommen längst nicht nur aus Cuxhaven und dem Landkreis, sondern auch aus Bremen und Umgebung. «Auch von Klassen, die in der Jugendherberge sind, wird unser Angebot gerne genutzt», sagt Frauke Kruggel. Für viele sei das Wattenmeer eine ganz neue Welt, das gilt selbst für die Kinder aus der Schweinchengruppe. «Wir kommen ja gar nicht von so weit her», sagt Erzieherin Mandy Früchtenicht. «Aber ganz viele waren noch nie im Watt.»

Die Kinder werden mit Eimern, Becherlupe und Kescher ausgestattet, sie dürfen Muscheln und Krebse einsammeln. «Muscheln können laufen, haben aber nur einen Fuß», sagt Günni. Das interessiert die Großen; die Kleinen wühlen derweil lieber im Matsch. Mit beiden Händen greift der vierjährige Phil immer wieder in den Schlick und lässt ihn durch die Finger flutschen. «Die Kinder sind Feuer und Flamme wenn sie hier matschen dürfen», sagt Veranstalterin Frauke Kruggel. «Es gibt so viele Eltern, die bei ihren Kindern vor allem auf Sauberkeit achten.»

Und manche Kinder bekämen von ihren Eltern zu hören, dass die kringelige Hinterlassenschaft des Pierwurms dessen Kot sei. Wer barfuß unterwegs ist, läuft deshalb erstmal Slalom um die Haufen herum. Später laufen die Kinder wieder Slalom. «Aber um auf jeden Haufen bewusst zu treten», lacht Frauke Kruggel. Denn sie haben gelernt: Dort ist der Schlick besonders rein. Für Nachschub wird ständig gesorgt: «Der Wattwurm produziert alle 45 Minuten einen neuen Haufen», sagt Günni. Für die Kinder aus Hemmoor steht schnell fest, was das Beste an ihrem Ausflug war: «Der Matsch», sagt die dreijährige Monique.




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(dpa)