Bremerhaven – Wieder einmal hatten sich Tausende am Ufer der Ems versammelt: Als vor wenigen Wochen der jüngste Neubau der Meyer Werft über den Fluss Richtung Nordsee überführt wurde, verfolgten zahlreiche Schaulustigen das Spektakel vor Ort.
Szenen wie diese zeigen: Kreuzfahrtschiffe faszinieren – und locken jedes Jahr mehr Schiffsreisende an Bord. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Passagiere auf dem deutschen Markt verdreifacht. In diesem Jahr wird nach Angaben des Kreuzfahrtverbandes CLIA Deutschland ein neuer Rekord mit zwei Millionen Gästen erwartet. Doch nur die wenigsten Passagiere machen sich Gedanken über die Emissionen, die von den Schiffen ausgehen, kritisieren Umweltschützer. Die schwimmenden Freizeitparks fahren meist mit Schweröl, das als extrem klimaschädlich gilt. Deutlich umweltfreundlicher wäre Schiffsdiesel, der allerdings teurer ist, sagt Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim Naturschutzbund (Nabu) Hamburg.
80 Prozent der in Europa fahrenden Kreuzliner hätten keine Rußpartikelfilter, kritisiert Siegert. In der Ostsee und im Nordost-Atlantik sind Abgaswaschanlagen (Scrubber) zwar zur Schwefel-Reduktion vorgeschrieben. Gegen gesundheitsschädliche Luftschadstoffe wie Ruß oder Stickoxide würden aber kaum effektive Maßnahmen ergriffen. «Das Absurde ist, dass wir die Gefahr für die Straße längst erkannt haben», sagt Siebert. «Mir ist unverständlich, warum die Vorgaben für Straßen und Wasserstraßen so unterschiedlich sind.»
Selbst bei Neubauten seien Abgasreinigungssysteme keine Selbstverständlichkeit. Und die Vorgabe der Scrubber-Nutzung gelte nur in Teilen Nordeuropas und nicht im Mittelmeer oder etwa in der Arktis. «Dort kann Schweröl verfeuern, wer will», sagt Siegert. Die Schadstoffbelastung sei in den Häfen deutlich zu spüren. Die Bewohner seien die Leidtragenden.
Umweltfreundliche Vorbilder gibt es zwar in der Branche: Schiffe wie AIDAprima, Europa 2 sowie Mein Schiff 3, 4 und 5 gehen weit über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus. «Das ist ein reines Marketing-Instrument», beklagt aber Siebert. Wenn es die Mutterkonzerne wirklich ernst meinten, gäbe es seiner Ansicht nach viel mehr solcher Schiffe. Allerdings: Einige Neubauten sollen in den nächsten Jahren komplett mit umweltfreundlichem Flüssigerdgas fahren.
Helge Grammerstorf, National Director von CLIA Deutschland, versteht nicht, warum ausgerechnet seine Branche so ins Visier der Kritik gerät. Kreuzliner machten nur ein halbes Prozent der weltweiten Schifffahrt aus. Trotzdem sei die Branche zum Vorreiter im maritimen Umweltschutz geworden. «Die Kreuzfahrtbranche hat großes Interesse an einer sauberen Umwelt», sagt Grammerstorf. Schließlich sei eine intakte Urlaubsumgebung die Grundlage des Geschäftsmodells.
Der Treibstoffverbrauch der Kreuzfahrtschiffe ist laut Branchenangaben in den letzten 20 Jahren pro Passagier um bis zu 70 Prozent reduziert worden. Das liege zwar auch daran, dass die Schiffe immer größer würden, räumt Grammerstorf ein. Aber es sei auch in treibstoffsparende Maßnahmen wie effiziente Schiffsmotoren und optimierte Klimasysteme investiert worden, so Grammerstorf.
CLIA-Mitgliedsreedereien hätten sich zudem verpflichtet, Müll weder inner- noch außerhalb von Schutzzonen in die Meere einzuleiten – auch wenn es nach internationalen Vorschriften erlaubt sei. Die Schiffe seien mit modernen Abfallverwertungsanlagen ausgestattet. Pro Person würden 60 Prozent mehr Müll recycelt als bei Menschen an Land.
Grammerstorf betont allerdings, das Nachrüsten von Umwelttechnologien auf Kreuzfahrtschiffen sei technisch aufwendig und zeitintensiv. «Die Ausstattung von Hunderten Schiffen ist nicht von heute auf morgen möglich.» Der Nabu hält dagegen, dass die meisten in der Branche allein aus Profitgründen darauf verzichteten, moderne Abgastechniken einzubauen oder höherwertigen Kraftstoff zu verwenden.
Nach Ansicht von Naturschützer Siegert ist deshalb der Gesetzgeber gefragt, Vorgaben zu verschärfen. Nur so gebe es Erfolge: Nachdem alle Schiffe in Nord- und Ostsee nur noch mit schwefelarmen Treibstoff fahren dürfen oder alternativ ihre Abgase reinigen müssen, habe sich die Luftqualität in der Region deutlich verbessert.
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(dpa)