Köln (dpa) – Ohne Sattel, mit platten Reifen und einem Rahmen, der vom Rost zerfressen wird – Tausende solcher Fahrräder stehen vergessen in deutschen Städten. Angekettet an Pfeiler und Geländer hilft den Behörden oft nur noch der Bolzenschneider.
Allein das Ordnungsamt der Stadt Köln hat so im vergangenen Jahr 2247 Schrott-Räder von Straßen und Plätzen der Stadt entfernt. In der NRW-Fahrradstadt Münster sind nach Angaben des Ordnungsamtes 60 Prozent der entfernten 1500 Räder auf den Schrottplatz gewandert.
Wann die Behörden wie eingreifen dürfen, variiert von Stadt zu Stadt: Die Mitarbeiter des Kölner Ordnungsdienstes markieren in allen Stadtbezirken abgeschlossene Fahrräder, die keinen intakten Eindruck mehr machen. «Lange Standzeit, fehlender Sattel oder eine defekte Bremse sind Indizien dafür», erläutert Thomas Frenzke, Leiter des Ordnungsdienstes. Drei solcher Kriterien, die das Umweltamt der Stadt erstellt hat, müssen mindestens erfüllt sein, damit seine Mitarbeiter die Zettel an das Rad kleben können.
Bei 3464 Rädern ist dies im vergangenen Jahr geschehen, knapp zwei Drittel davon wurden nach einem Monat entfernt. Es kam kein Eigentümer, um das Rad zu entfernen oder zu reparieren. «Die Zahl der Fahrräder, die wir jährlich markieren und entfernen, ist seit Jahren konstant hoch», berichtet Ordnungsdienstleiter Frenzke, «egal ob Winter oder Sommer». Vor allem rund um die Universität merke er das. Auslandsaufenthalt, Uni-Wechsel, Umzug – immer wieder muss das Rad dann zurück bleiben.
Allerdings: Woher weiß man, ob der Eigentümer sein Fahrrad wirklich nicht mehr haben will? Die Mitarbeiter des Ordnungsamts der Stadt Münster haben deswegen keinen Kriterienkatalog und kleben auch keine Zettel auf Räder. Die Gesamtschau auf die Fahrräder ist wichtig: «Wenn Fahrräder objektiv nicht benutzbar sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass das Eigentum aufgegeben worden ist», erklärt Bernhard Korthues, Fachstellenleiter im Ordnungsamt der Stadt Münster. Der Bolzenschneider darf nur gezückt werden, wenn Fahrräder verkehrsbehindernd herumstehen. Oder wenn offensichtlich ist, dass die Reparatur eines Fahrrads absolut nicht mehr im Verhältnis zu seinem Wert stehen würde. Endstation für die Fahrradleichen ist oft der Schrottplatz.
Dabei gibt es Alternativen: Über zahlreiche Online-Plattformen kann man sein altes Fahrrad verkaufen. In Köln finden jeden Samstag Fahrradmärkte statt, bei denen jeder ein Gebrauchtrad kaufen oder gegen eine kleine Standgebühr seines verkaufen kann. Außerdem lässt es sich auch über den Sperrmüll entsorgen oder an karitative Einrichtungen spenden.
«Wenn der Rahmen noch intakt ist, dann können wir das Fahrrad wieder instand setzen», erklärt Thomas Bischofs, stellvertretender Geschäftsführer des Kölner Umweltzentrums West. Nur dann gilt das Fahrrad als verkehrssicher. «Bei allen anderen montieren wir Ersatzteile ab.» Die werden dann genutzt, um ein anderes Rad wieder ans Laufen zu bringen.
14 Langzeitarbeitslose übernehmen diese Aufgabe: Sie reparieren im Umweltzentrum West die Schrotträder im Rahmen einer Maßnahme des Jobcenters. Auch Flüchtlinge helfen in der Werkstatt des Umweltzentrums West bei der Instandsetzung der aufgesammelten Fahrräder. Und bekommen als Lohn dafür eines geschenkt.
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(dpa)