Nicht alles, wo Bio drauf steht, ist auch Bio. Bei Biosprit, Biodiesel und Co., ist die Bezeichnung ein Hinweis darauf, dass das Genannte aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wurde. Es hat also nichts mit ökologischem und damit nachhaltigem Anbau zu tun. Er schädigt das Kima und steigert den Welthunger. Daher fordern Umweltschutzorganisationen zusammen mit der Welthungerhilfe jetzt einen Verkaufsstopp für E10.
Ob ein Verkaufsstopp vom Biosprit E10 wirklich etwas bewirken wird, darüber streiten sich derzeit noch die so genannten Experten. Viele empfinden es aber definitiv als unethisch, das zu tanken, was eigentlich auf den Teller gehört.
Die Crux mit dem Rohstoffanbau für den Biosprit E10
Im Prinzip geht die Rechnung ja auf. Die Energiepflanzen nehmen während ihres Wachstums Kohlendioxid auf, welches bei deren Verbrennung wieder frei gesetzt wird. Im Ergebnis steht so Null.
Ganz so einfach sehen es führende Umweltschutzorganisationen aber nicht. Die betonen vor allem, dass nachwachsende Rohstoffe nicht mit Nachhaltigen gleich zusetzen sind und auch, dass es zu einer zunehmenden Konkurrenz der Anbauflächen kommt.
Seit 2009 schreibt eine EU-Verordnung den Mitgliedsstaaten vor, dass bis zum Jahr 2020 ein Zehntel der im Verkehrssektor aufgewandten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Zu diesem Zweck wurde in der Bundesrepublik der Biosprit E10 groß propagiert. Es gab auch kritische Stimmen, die bezogen sich allerdings nicht auf die Nachhaltigkeit, es ging um die Unverträglichkeit des Kraftstoffes für die Motoren.
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 3,8 Millionen Tonnen Biosprit getankt. Das entspricht in etwa 6 % des gesamten Kraftstoffverbrauches. Um diese Menge zu produzieren wurde zirka ein Zehntel der deutschen Ackerfläche für den Anbau von Energiepflanzen aufgewendet. Sollten die Mitgliedsstaaten tatsächlich ihren Anteil erhöhen, müssen noch mehr Ackerflächen für den Anbau von Raps und Co. verwendet werden.
Dieser Trend führt unter anderem dazu, dass Lebensmittel immer teurer werden. Außerdem wird der Großteil der Rohstoffe ohnehin nicht in der EU angebaut. Das meiste wächst in der Dritten Welt. So trifft der Bio-Trend im Kraftstoffbereich vor allem die Armen. Die müssen ohnehin schon den größten Teil ihres Einkommens für Nahrung ausgeben. Werden die Flächen in den Dritte-Welt-Ländern nun nicht mal mehr zu Nahrungsmittelproduktion, sondern zum Energiepflanzenanbau genutzt, so verschlimmert dies den Hunger in den betreffenden Staaten noch.
Biosprit E 10 schneidet in der Klimabilanz schlecht ab
Der E10- Kraftstoff schade Mensch und Umwelt, sagen Greenpeace und andere Umweltschutzorganisationen. Im Grunde geht es um den Kampf „Einsparung von Treibhausgasen vs. Klimaschädigung“. Für die Bemessung werden zwei Indikatoren herangezogen, dLUC und iLUC, was direkte und indirekte Landnutzungsänderung bedeutet.
Eine „direkte Landnutzungsänderung“ liegt vor, wenn für die Produktion von Energiepflanzen andere Ökosysteme in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden. Das ist insofern nachteilig für die Klimabilanz, als gerade die Böden der Regenwälder ein immenser CO2-Speicher sind. Werden die Bäume abgeholzt, trocknen sie aus und das Kohlendioxid kann in die Atmosphäre entweichen.
Bei der „indirekten Landnutzungsänderung“ werden bestehende Agrarflächen in solche für Energiepflanzen umgewandelt. Letzteres wirkt sich ebenfalls negativ auf die Klimabilanz aus, da häufig Ausweichflächen geschaffen werden müssen, um Nahrungsmittel anzubauen. Dies geschieht dann wieder durch Rodung, wodurch CO2 aus den Böden frei gesetzt wird.
Um nicht allzu sehr im Fachchinesisch zu versinken: In Punkto Klimabilanz schneiden „Bio“-Kraftstoffe um 80 bis 167 % schlechter ab, als die Fossilen. Mittlerweile sind Forscher dabei, Methoden der Kraftstoffgewinnung aus anderen Rohstoffen, wie Abfall und Algen (Cyanobakterien) zu entwickeln. Diese Forschung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen und es wird Jahre dauern, bis praktikable Resultate vorgestellt werden können.
E10 und der Welthunger
Politiker und Industrie halten natürlich nichts von der Meinung der Umweltschützer. Wenn letztere sagen, dass der Anbau von Rohstoffen für die Kraftstoffgewinnung auf Flächen, die eigentlich für die Nahrungsmittelerzeugung vorgesehen sind, unethisch sei, dann antworten die Befürworter, dass es auf der Welt genug Nahrungsmittel gäbe, um alle sieben Milliarden Menschen zu ernähren. Das Problem sei einzig und allein die richtige Verteilung.
Solange in Europa und den anderen Industrienationen das Essen getankt, die eigenen Anbauflächen aber nicht dazu geopfert werden sollen, muss sich niemand wundern, wenn in der Dritten Welt die Menschen verhungern, weil sie sich den Import des teuren europäischen Getreides nicht leisten können. Das bekommt hierzulande sowieso noch eher die Viehwirtschaft.
Vielleicht wirkt sich ein E10- Verkaufsstopp auf den Welthunger nicht so stark aus, wie wir es uns alle wünschen, doch könnte Deutschland damit doch auch ein Zeichen setzen. Die Bundesregierung könnte sich auch in Europa dafür stark machen, dass weniger Bioethanol dem Sprit beigemischt wird. Außerdem sollte es flexiblere Beimischungsquoten in der EU geben.
Umweltorganisationen betonen auch immer wieder, dass es noch andere, klimaschonende Quellen erneuerbarer Energien gibt. Windkraft und Solarenergie zählen dazu. Mit der Förderung von Elektroautos und der zunehmenden Zahl an Ladestationen wurde auch in dem Bereich schon etwas getan, es reicht aber bei weitem nicht aus.
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