Dresden – Gedränge herrscht vor der Bienenwohnung. An den Beinen klebt dicker, gelber Pollen. Jedes der emsigen Tiere will sich in Sicherheit bringen. Regen liegt in der Luft an der deutsch-tschechischen Grenze. René Schieback stellt den sogenannten Smoker im Halbschatten der Kirschbäume auf.

Der Rauch beruhigt die Völker. Jetzt kann der Imker nach seinen Schützlingen schauen. «Einmal schleudern wir noch Honig. Was die Bienen dann noch sammeln, bleibt ihnen als Wintervorrat», sagt der 40-Jährige von der
Sächsischen Imkerschule in Ebersbach-Neugersdorf (Landkreis Görlitz).

«Beewhisperer» steht auf seinem Shirt. Doch der Oberlausitzer ist mehr als nur ein Bienenflüsterer. Gemeinsam mit dem Verein «Lebens(t)räume» hat er sich zur Aufgabe gemacht, den nützlichen Tieren eine Stimme zu geben. «Wir machen Lobby-Arbeit für die Bienen. Dazu gehört das Treffen mit den Landwirten genauso wie die Ausbildung von Neu-Imkern», sagt er. In den vergangenen fünf Jahren saßen in den Kursen der Imkerschule 250 Neu-Imker. Im August beenden mehr als 80 Bienenfreunde in Dresden und Ostsachsen den Kurs. Die Zahl hat sich in diesem Jahrgang nochmals verdoppelt. Die Voranmeldungen für 2017 für die Ausbildung in Neugersdorf und Dresden bewegen sich in ähnlicher Größe. 

Einer der 50 Neu-Imker der Landeshauptstadt ist Utz Weil. Mit seinem Paten Marcus Lippmann betreut er die drei Bienenstöcke im Sächsischen Landtag in Dresden. Die fleißigen Sammlerinnen sind dort erst Mitte des Jahres eingezogen. Am 12. August soll die erste Ernte geschleudert werden. «Ich interessiere mich seit drei Jahren für Bienen», sagt der Wirtschaftsinformatiker. Bei fünf Veranstaltungen ging es unter anderem um Honiggewinnung, Bienengesundheit und die Einwinterung der Insekten.

Dieser Nachwuchs sorgt für frischen Wind im «Imkerverein Dresden». In den vergangenen fünf Jahren konnte er seine Mitgliederzahlen verdoppeln. «Derzeit haben wir etwas mehr als 200 Bienenhalter, vor allem Frauen sind dazu gekommen», sagt Vereinschef Tino Lorz. Obwohl die Mitglieder wieder mehr würden, sei die Zahl der Bienen aber weiter rückläufig. Gefährdet seien vor allem die Wildbienen. Etwa zwei Drittel der einst mehr als 400 Arten sind bereits verschwunden oder ihr Bestand ist bedroht. «Die Honigbiene muss so auch ihre Bestäubungsaufgabe übernehmen. Wir sollten dringend über Berufsimker nachdenken», sagt Lorz. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums gibt es derzeit 46 400 Bienenvölker im Freistaat.

Von der Imkerei zu leben, wünscht sich auch René Schieback. Derzeit ist der gelernte Veranstaltungskaufmann beim Verein «Lebens(t)räume» angestellt, um sich um die 24 Völker und alle Bienenprojekte  – vom Bienenfachfachtag bis hin zum Honigfest  – zu kümmern. Seine Leidenschaft hat er von seiner Großmutter. Vor zehn Jahren bekam er seinen ersten Schwarm geschenkt. Schieback probierte sich aus und entschied sich für die Unterbringung der Völker in sogenannten Magazinbeuten. Bis zu 60 000 Bienen finden dort ein Zuhause.

Ganz vorsichtig hebt der Imker eine der Holzkisten, in denen die duftenden Waben stehen, auseinander. Er taucht seinen Finger in den warmen Honig. Im Bienenstock herrschen um die 36 Grad. Goldfarben glänzt die Ernte. «Ein gestrichener Teelöffel Honig ist die Lebensleistung einer Biene», sagt er. Unter dem Namen «Goldkind» verkaufen «Lebens(t)räumer» die Delikatesse.

Der Verein in Neugersdorf gründete sich 2011. Wo einst Industrieschornsteine in die Luft ragten, wachsen jetzt auf den Brachflächen unter anderen sechs verschiedene Sorten Klee und Hunderte andere leckere Blühpflanzen für die Sammelleidenschaft der Honigbienen. 100 Bäume haben die Vereinsmitglieder gepflanzt, damit ihre Schützlinge vom Frühjahr bis zum Herbst Pollen und Nektar finden.

Für Kinder gibt es Bienenprojekte. Schieback berät aber auch das Rathaus, welche Bepflanzungen in den öffentlichen Bereichen für Bienen sinnvoll sind. Die Fleißigen holen sich ihre Nahrung aus dem Umkreis von drei Kilometern. Ziel des Vereins: Aus Ebersbach-Neugersdorf eine bienenfreudliche Stadt zu machen.

Deshalb weitet der Verein nun auch seine Kontakte nach Tschechien aus. Ein Treffen mit Landwirten ist geplant, um über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Feldern zu sprechen. Nebenher müssen die Bienen noch auf den Winter vorbereitet werden. Mittlerweile hat sich der Sommerregen verzogen. Für die Bienen heißt das: Arbeiten bis zum Sonnenuntergang.

Fotocredits: Klaus-Dietmar Gabbert,Patrick Pleul,Jan Woitas
(dpa)

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