Kiel (dpa) – Ein Netzwerk aus deutschen Unternehmen will weltweit Plastikmüll aus den Meeren fischen und damit Geld verdienen. Die dafür entwickelte industrielle Systemlösung soll ab 2018 einsatzbereit sein, wie Projektkoordinator Dirk Lindenau am Dienstag in Kiel sagte.

Das Konzept sieht vor, dass eine Flotte aus umgebauten Schiffen mit Netzen in stark betroffenen Gebieten Plastikmüll zieht, der dann auf einem Spezialschiff aufbereitet wird. Der Abfall soll zur Energiegewinnung genutzt oder recycelt werden.

Experten schätzen, dass 140 Millionen Tonnen Plastik in den Meeren sind und jährlich bis zu zehn Millionen Tonnen dazukommen. Einmal im Meer, bleibt der Abfall über Jahrhunderte dort. Unter dem Einfluss von Reibung, Salzwasser und UV-Strahlung werden die Plastikteile immer kleiner und gelangen über Fische auch in die menschliche Nahrungskette. Fischerei und Tourismus leiden ebenfalls unter dem Müll.

Ein Beispiel für die Dimension: Allein an der brasilianischen Küste gelangten zwischen Rio de Janeiro und São Paulo jährlich 70 000 Tonnen Plastikmüll ins Meer, schilderte Lindenau. Zum Teil werde der Abfall bei Starkregen flutartig von Halden ins Meer gespült. Um diese Menge zu bewältigen, müssten dort ständig neun Schiffe zum Fischen und eines zum Einsammeln und Verarbeiten im Einsatz sein.

Mit im Boot des Projektes ist auch der Kieler Meteorologe Meeno Schrader, der anhand von Wind, Strömung und Regen den Verlauf der «Mülldrift» ermitteln soll. Dem bisher aus zehn Unternehmen bestehenden Netzwerk zufolge sind insgesamt 192 Länder betroffen, darunter besonders stark asiatische Staaten wie China, Indonesien, die Philippinen und Vietnam. Das Problem besteht auch für Deutschland selbst. Allerdings fielen hier jährlich «nur» 20 000 Tonnen in Nord- und Ostsee zusammen an, hieß es.

Der Kieler Umweltminister Robert Habeck (Grüne) lobte das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt: «Es wäre fantastisch, wenn wir den Müll aus den Meeren wieder rauskriegen». Hauptziel müsse aber sein, die Vermüllung der Meere zu beenden und zu verhindern, dass Plastikabfall überhaupt ins Meer kommt. Bisher werde mit den Meeren verantwortungslos oft nur als Nutzungsraum umgegangen und nicht als Schutzraum, sagte Habeck. Einige Länder ließen Plastikmüll gezielt am Meer liegen und setzten dann auf die Natur: «Man hofft auf den nächsten Tsunami».

Mit seinem Know-how aus der Abfallwirtschaft an Land und dem jetzt entwickelten maritimen Umweltschutzsystem könne Deutschland einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen die Vermüllung der Meere leisten, sagte Lindenau. Der Diplomingenieur mit viel Erfahrung im Schiffbau will Mitte nächsten Jahres einen Businessplan vorlegen. «Dann wissen wir auch ganz genau, wie teuer das wird.» Eine Kostenschätzung wollte Lindenau jetzt nicht vornehmen.

Er hofft auf eine Beteiligung deutscher Reeder, die unter der geringen Auslastung vieler Schifffahrtskapazitäten leiden. Statt Schiffe zu verschrotten, könnten diese für das geplante maritime Umweltschutzsystem umgebaut werden. «Warum sollten deutsche Reeder nicht weltweit die Müllabfuhr machen?», fragte Lindenau. «Wir gucken, dafür die Finanzierung und den Betrieb hinzukriegen.»

Die Erträge aus der vorgesehenen Verwertung des Plastikmülls sollen zur Kostendeckung beitragen. Darüber hinaus sei die Finanzierung eine «Gemeinschaftsaufgabe der Welt», sagte Lindenau. Mit dem jeweiligen Partnerland soll ein Vertrag über die Entsorgung des Plastikmülls abgeschlossen werden.

In Lübeck wird derzeit ein Katamaran namens «Seekuh» gebaut, der künftig ebenfalls auf dem Meer Plastikmüll einsammeln soll. Dieses Vorhaben gehört aber nicht zu dem am Dienstag in Kiel vorgestellten Netzwerk-Projekt.



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(dpa)