Für Überraschung sorgten jüngst repräsentative Studien, die belegen, dass der Erwerb von Bioprodukten nicht in erster Linie der gesünderen Ernährung des Käufers, sondern vorrangig den besseren Anbau- und Produktionsbedingungen geschuldet ist. Somit sollten Bioproduzenten und -verkäufer darauf bedacht sein, sowohl für das Wohl der Tiere als auch der Menschen zu sorgen. Doch ich finde, auch die EU sollte sich klar darüber werden, dass zu einem fairen Ökosystem auch der Mensch gehört.
Nachhaltigkeit – leider nicht für Menschen
Zunächst: Die EU sieht bei der Vergabe des Biossiegels keine Mindestarbeitsbedingungen vor und dürfte außerhalb ihres Geltungsbereichs auch kaum in der Lage sein, die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu überprüfen. Doch auch innerhalb der EU kommt es immer wieder zum Eklat. So findet der in Deutschland für den Einzelhandel verbindliche Mindestlohn von 13,50 Euro in kaum einem Bio-Supermarkt Anwendung, vielmehr werden die meisten Angestellten zu Aushilfen deklariert. Schlimmer sieht es in vielen Erzeugerländern der Dritten Welt aus. Kein Wunder: Die ohnehin schon schlechten Arbeitsbedingungen verschlimmern sich häufig durch die enttäuschende Preisentwicklung in der Biobranche. Werden in der westlichen Welt ökologische Bestrebungen meist von staatlicher Seite gefördert, können viele Bioproduzenten in den Entwicklungsländern den Einnahmenverlust, ausgelöst durch den Preiskampf der Bio-Supermärkte, nicht kompensieren.
Fair Trade – leider nur bis zum fertigen Produkt
Abhilfe schafft Fair Trade, doch das ist manch einem von uns zu viel des Guten, denn Fair Trade bedeutet auch höhere Preise für biologische Produkte plus Zulage für den Handel. Faire Arbeitsbedingungen sollten für den Käufer aber ebenso wichtig sein wie Tier- und Umweltschutz, und nicht jedes Produkt des täglichen Bedarfs muss aus einem Fair Trade-Handel stammen. Denn die Produkte aus heimischer Produktion unterliegen den Bedingungen des Arbeitsschutzgesetzes, sodass Ausbeutung in den meisten Ländern der westlichen Welt kaum möglich ist. Dennoch: Ich finde, faire Arbeitsbedingungen bedeuten nicht nur, von seinem Verdienst leben, sondern dies auch mit Würde tun zu können, was den Respekt der Arbeitgeber bei der Bezahlung voraussetzt. Leider sagt „Fair Trade“ dabei nur etwas über die Bedingungen beim Anbau und der Verarbeitung aus. Landen die Produkte schließlich bei uns in den Supermärkten, endet oft das Engagement des fairen Handels. Kein Garant, aber immerhin ein Richtwert: Bio-Einzelhändler und Reformhäuser haben meist bessere Arbeitsbedingungen, was mitunter auch daran liegt, dass dort mehr Fachkräfte tätig sind.