Wie viele Artikel mit Tipps für ein Leben ohne Plastik haben Sie in den letzten Paar Jahren gelesen? Einhundert, Zweihundert, gefühlt Tausende?
Wie auch immer – falls Sie nicht die letzten Jahre als Einsiedler ohne Kontakt zur Umwelt gelebt haben, dürften Sie mit Tipps für ein Leben ohne Plastik reichlich versorgt worden sein.
Wenn nach all diesen Tipps in Ihrem Leben immer noch so viel Kunststoff vorkommt, dass Sie dieses „überall Plastik“ als Belastung empfinden – ist das nicht gut für Sie.
Es bedeutet zunächst, dass Sie ein Ziel haben, bei der Erreichung dieses Zieles aber andauernd scheitern. Es bedeutet weiter, dass Sie in einem Zustand kognitiver Dissonanz leben, weil Sie den Wunsch nach einem Leben ohne Plastik haben, aber jeden Tag Entscheidungen fällen, die diesem Wunsch entgegenstehen. Da fortlaufendes Scheitern frustriert und ein Leben in kognitiver Dissonanz unangenehmen Stress erzeugt, ist es dann an der Zeit, das Ziel und die Strategie zum Erreichen dieses Ziels zu überprüfen.
Heißt das Ziel wirklich Leben OHNE Plastik?
Jedem vernünftigen Menschen ist klar, dass der Mensch Welt und Umwelt in einem Maß mit Plastik überschwemmt, das dem Planeten nicht gut tut. Jedem denkenden Menschen ist auch klar, dass wir aus Selbstschutz mit diesem Unsinn aufhören müssen, weil wir uns sonst unsere eigene Lebensgrundlage zerstören. Die Plastikflut bedroht die Meere, die unter dem Klimawandel ohnehin unter Sauerstoffverlust leiden; der zersetzte Plastikmüll überzieht die Welt mit Mikroplastik-Teilchen, bis in unsere Nahrung und unseren Körper. Während nicht sicher ist, dass die Menschheit es überlebt, wenn wir so weitermachen, würde die Erde sich wahrscheinlich freuen, die „verpeilten Menschen“ endlich los zu sein und nach ein paar Jahrtausenden Plastikabbau munter neue Lebensformen entwickeln …
Ohne Plastik leben ist jedoch angesichts der Millionen Tonnen von Plastik, die bereits ganz real vorhanden sind, ein geradezu lächerlich unrealistisches Ziel.
Das Ziel heißt vielmehr: Dafür sorgen, dass der überall herumfliegende Plastikmüll aufgesammelt wird und als Rohmaterial für Dinge eingesetzt wird, für die Materialeigenschaften wie lange Haltbarkeit vorteilhaft sind. Dafür sorgen, dass der Plastikmüll nicht „frei in der Welt landet“, sondern dem Recycling zugeführt wird. Dafür sorgen, dass in Zukunft keine Produkte mehr aus lange haltbarem Plastik hergestellt werden, die bekanntermaßen nur sehr kurz genutzt werden.
Dieses Ziel erreichen wir nur, wenn alle gemeinsam nachdenken und handeln, im Großen wie im Kleinen:
Von Kleinigkeiten zur weltrettenden Entwicklung
Wenn Sie wirklich etwas gegen die Plastik-Verseuchung der Welt tun möchten, sollten Sie sich einen Plan entwerfen, wie und wo Sie selbst wirksam handeln können. Das ist dringend zu empfehlen, weil es für das Gemüt des Menschen sehr viel besser ist, als dabei zuzusehen, „wie die Welt untergeht“. Selbstwirksamkeit wird von Psychologen nicht umsonst zu den Grundbedürfnissen des Menschen gezählt, weil es kaum etwas Schlimmeres gibt, als wehr- und tatenlos destruktiven Entwicklungen zuzusehen.
Sie werden viel an Übersicht gewinnen, wenn Sie wirklich einmal selbst einen solchen Plan entwerfen, statt Tipps anderer zu einem Leben ohne Plastik zu konsumieren (und dann nur zu kleinen Teilen umzusetzen, was nicht wirklich befriedigt). Erst dann werden Sie entdecken, was Sie jetzt, sofort und selbst tun können; wie und wo Sie sich mit anderen zusammentun können, um kontraproduktive Praktiken anzugehen.
So kann es Ihnen gelingen, sich aus der „Starre der Dissonanz“ befreien, wirkungsvolle Handlungsstrategien zu entwickeln und dann auch tatsächlich zu handeln; Menschen kennenzulernen, mit denen Sie gemeinsam weitere sinnvolle Strategien entwerfen und durchsetzen.
Hier einige Anregungen für die ersten Stufen dieses Weges – mit kleinen Tricks, um mit anderen in vernünftige Gespräche über gemeinsames Handeln zu kommen:
- Verweigern Sie Einwegbecher: Millionen Tonnen Plastikmüll entstehen nur, weil Menschen keine Mehrwegbecher besitzen
- Das gleiche gilt für Einwegflaschen, Leitungswasser ist mineralstoffreicher als manches Wasser in der Flasche, Getränkekisten kann man sich liefern lassen
- Überlegen Sie regelmäßig, welche Verpackungen Sie vielleicht noch sparen können (Sie werden feststellen, dass Sie manchmal auch den Inhalt sparen können)
- Informieren Sie sich regelmäßig über Inhaltsstoffe in Ihren Kosmetika und Körperpflege-Artikeln, weil Produkte ohne Mikroplastik auch für Schönheit und Gesundheit besser sind
- Setzen Sie Zeichen, z. B. durch ökologische Handyhüllen, weil es sehr auf die Kleinigkeiten ankommt, die bei anderen Menschen ein Umdenken in Gang setzen
- Reden Sie mit anderen Menschen über Ihre Aktivitäten, und vertreten Sie selbstbewusst Ihre Position: Es ist nicht verrückt, die Welt retten zu wollen
- Regen Sie Gemeinschaftsaktionen in Ihrem Umfeld an, von Müllsammelaktionen bis zu Bastelwettbewerben über kreative Kunststoffverwertung
Es geht darum, jeden Tag ein bisschen besser zu werden – und Sie dürfen die Geschäftsführung Ihres Supermarkts gerne schriftlich wissen zu lassen, dass Sie die Werbung der Ladenkette mit dem „Jeden Tag ein bisschen besser“ erst ernst nehmen, wenn die letzte, doppelt und dreifach bedruckte Verpackung als schönes, wiederverwendbares Gefäß mit Banderole aus Recycling-Papier daherkommt.
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