Teisendorf – Die hoch aufragenden Bäume kennt Dirk Uhrner gut. Seit 25 Jahren arbeitet der 59-Jährige als Förster. Im 3000 Hektar großen Waldgebiet Hainberg zwischen Hildesheim und Goslar im Süden Niedersachsens gibt es besonders viele Eschen.

Wenn er sich die jungen, zehn bis fünfzehn Jahre alten Bäume neben sich anschaut, ist er besorgt. «Wasserreiser», sagt er und deutet auf einen langen, dürren Ast, «damit versucht der Baum, letzte Lebensgeister zu animieren». Die Nottriebe aus der Rinde heraus bilde die Esche bei Stress. «Die Esche wird ausfallen», sagt Uhrner und meint damit nicht nur den einen Baum, sondern 700 Hektar Eschenwald in seinem Revier.

Ursache ist ein Pilz, Falsches Weißes Stängelbecherchen (Hymenoscyphus fraxineus) genannt, der in den 1990er Jahren zunächst in Polen Eschen in großer Zahl absterben ließ. Über die Blätter infiziert er die Triebe, die daraufhin absterben.

Die Sporen des ursprünglich wahrscheinlich aus Asien stammenden Pilzes verbreiten sich mit dem Wind – weshalb es kaum Möglichkeiten gibt, die weitere Ausbreitung des Pilzes in Europa aufzuhalten. Experten fürchten eine ähnliche Entwicklung wie beim Ulmensterben, bei dem ebenfalls ein Pilz in vielen europäischen Regionen einen Großteil der Ulmen binnen Jahrzehnten absterben ließ.

Doch ganz haben Wissenschaftler die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Immer wieder finden sich zwischen kranken Eschen einzelne gesunde, die offenbar resistent gegen den Pilz sind. Forscher der York Universität in England konnten im Erbgut der Esche Stellen ausfindig machen, die auf eine Resistenz gegenüber dem Pilz hindeuten.

Damit beschäftigt sich auch Volker Schneck vom Thünen-Institut für Forstgenetik im brandenburgischen Waldsieversdorf. Gemeinsam mit anderen Experten hat er seit Mitte 2016 rund 250 Bäumen ausfindig gemacht, denen der Pilz offenbar wenig anhaben kann. Ein Ziel des Projekts ist, eine Samenbank solcher Bäume anzulegen. In Baden-Württemberg und Bayern gibt es ähnliche Vorhaben. «Jedes Bundesland macht etwas, aber es gibt bisher keine bundesweiten Projekte», sagt Schneck.

Barbara Fussi organisiert daher Ende April eine Konferenz im bayrischen Teisendorf, bei der Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammenkommen. Fussi ist Leiterin der Abteilung Herkunftssicherung und angewandte forstgenetische Forschung am Bayerischen Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht. «Die Teilnehmer sollen konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln», sagt Fussi. Die Ergebnisse könnten einer nationalen Strategie gegen das Eschentriebsterben einen Schub verleihen, hoffen die Forscher.

In Österreich, wo die Esche die zweithäufigste heimische Laubbaumart ist, gibt es das Projekt «Esche in Not». Auch das Nachbarland Schweiz kämpft gegen das Eschentriebsterben. Valentin Queloz, Leiter der Fachstelle für Waldschutzfragen der Schweizer Forschungsanstalt WSL, hat ebenfalls gesunde Eschen gefunden. Sie würden nun gezielt auf ihre Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Pilzen und Käfern getestet. Denn mit dem Eschenprachtkäfer droht schon ein neuer Schädling, der in Russland bereits große Schäden verursacht hat. In Deutschland wurde er bisher noch nicht nachgewiesen.

Eschenholz ist beliebt für den Möbelbau, da das Holz sehr hart und elastisch ist. Auch wenn die Esche nur rund 2,5 Prozent der Waldfläche in Deutschland ausmacht, ist sie die vierthäufigste Laubbaumart nach Buche, Eiche und Birke. In Baden-Württemberg kommt sie mit rund fünf Prozent Anteil an der Waldfläche am häufigsten vor.

Bestimmte Insekten sind auf die Esche angewiesen – wie der Kleine Maivogel, ein Schmetterling, der auch Eschen-Scheckenfalter genannt wird. Die Esche ist zudem ein Baum für besonders feuchte Standorte, zum Beispiel in Auwäldern, oder auch für kalkhaltige, an denen so gut wie keine andere Baumart wächst.

Das gilt auch für den Wald mit sehr kalkhaltigem Boden in Dirk Uhrners Revier in Niedersachsen. Innerhalb der letzten zwei bis drei Jahre hat sich der Pilz dort schnell und aggressiv ausgebreitet. «Wenn die Esche hier komplett verloren geht, ist das ein herber Schlag», sagt Uhrner. «Das wäre in etwa so, als wenn der Raps für die Landwirtschaft wegfällt.»

Fotocredits: Julian Stratenschulte,Julian Stratenschulte,Julian Stratenschulte
(dpa)

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